La Familia

Mädchen brauchen mehr echte Vorbilder

Mädchen sind die Bildungsgewinner, in Schulen und an Universitäten. Echte Vorbilder sind für sie aber immer noch schwer zu finden. Woran kann das liegen?

Meine Tochter hat ein neues Idol. Das Idol heißt Emma Chamberlain, wohnt in Kalifornien und ist erst 17. Einmal in der Woche erzählt die Amerikanerin vor einer Kamera von ihren verunglückten Versuchen mit Selbstbräunern und neuen Haarfarben. Manchmal geht es auch um Shopping-Touren. Ach ja, und da wäre noch etwas: Das Mädchen aus Kalifornien mit den hochgesteckten Haaren und der Anti-Pickel Creme im Gesicht ist ein YouTube-Star. Und sie ist ein Phänomen. Seit 2017 hat Emma Chamberlain knapp sieben Millionen Follower hinter sich versammelt. Ihre erste Modelinie war binnen zwei Stunden ausverkauft. 

Was ist ihr Erfolgsrezept? Je authentischer umso besser: Chamberlain steht beispielhaft für eine neue Generation von Influencern, die erfolgreich die Freundin von nebenan verkörpern. Im Gegensatz zu ihren Vorgängerinnen treten sie nicht mehr perfekt gestylt vor ihr Millionenpublikum, wirken echt und ungekünstelt und genau das ist ihr Geschäftsmodell. Nach lerntheoretischen Gesichtspunkten wählen wir vor allen Dingen diejenigen Menschen als Vorbilder aus, die eine gewisse Ähnlichkeit mit uns selber haben und denen wir nacheifern können. Die Wirkung von Influencerinnen wie Chamberlain ist also kaum zu unterschätzen. Allein in Deutschland gibt mittlerweile mehr als jeder dritte Jugendliche einen YouTube-Star als Idol an.

Millionenfache Klicks mit altmodischem Frauenbild

Chamberlain & Co. begleiten also den Alltag einer ganzen Generation von Heranwachsenden. Sie generieren mit einer Mischung aus Lifestyle- und Beautythemen, geschickt eingestreuten Werbebotschaften und einem im Grunde genommen altmodischen Frauenbild millionenfache Klicks. Viele Mädchen legen ihr Handy praktisch nicht mehr aus der Hand, sind immer online, um auch ja nichts zu verpassen. Dabei könnte man fast vergessen, dass sie Jungen in Sachen Bildung längst den Rang ablaufen:

Fakt ist: Schülerinnen und Studentinnen sind weltweit die klaren Bildungsgewinner. Allein in Deutschland erwerben sie die Mehrzahl der hochwertigen Schulabschlüsse und in vielen Fächern auch die besseren Hochschulabschlüsse. Und doch gelingt ihnen immer noch nicht, ihre guten Noten in beruflichen Erfolg umzuwandeln. Warum ist das so?

Im Bildungssystem ist alles beim Alten 

Ein Blick in die Schulen zeigt zunächst einmal eines: Hier ist alles beim Alten geblieben. Die Fächer Informatik, Physik und Chemie sind nach wie vor männlich dominiert. Laut einer Studie der Unternehmensberatung PricewaterhouseCoopers sind junge Frauen deutlich zurückhaltender als junge Männer, wenn es darum geht, MINT-Fächer im Abitur oder an der Universität zu belegen: Lediglich acht Prozent der befragten Schülerinnen wählen Physik oder Informatik im Abitur.

Ein ähnliches Bild ergibt sich für die Hochschulen: Der Studie zufolge sind Frauen in MINT-Studienfächern deutlich unterrepräsentiert. Fast jeder zweite Student, aber nur jede vierte Studentin belegt ein MINT-Fach. Für Informatik entscheiden sich lediglich zwei Prozent der Studentinnen.

Und einmal im Berufsleben angekommen, tun sich die jungen Frauen sowieso schwer – aktuell schaffen es nur knapp über 29 Prozent in Führungspositionen. Das Muster ist schließlich altbekannt: Oft können sich selbst hoch qualifizierte Absolventinnen oder Berufsanfängerinnen nicht vorstellen, dass eine Stellenbeschreibung für sie in Frage kommt. Und im Zweifelsfall bekommt dann doch wieder ein schlechter qualifizierter, aber forsch auftretender männlicher Bewerber den Job. Um ungewöhnliche Dinge zu tun, braucht es Vorbilder. Fehlt es Mädchen heute daran?

Der Vorbild-Effekt“

Gerade der niedrige Anteil von Frauen in Führungspositionen hat mit Vorbildern oder eher noch mit der Tatsache zu tun, dass viele Frauen zu wenig davon haben. Denn egal ob Schülerin, Studentin, Berufsanfängerin oder Führungskraft – Frauen reagieren auf weibliche Vorbilder.

Das Forscherteam um die Finanzprofessorin Alexandra Niessen-Rünzi von der Universität Mannheim untersuchte in diesem Zusammenhang den sogenannten “Vorbild-Effekt“. Mit dem Ergebnis, dass Frauen sich häufiger für Wettbewerbssituationen entscheiden, wenn sie zuvor ein erfolgreiches weibliches Vorbild beobachten konnten. “Selbst die besten Frauen entschieden sich gerade einmal so häufig für den Wettbewerb wie die schlechtesten Männer. Sie ließen also buchstäblich Geld auf dem Tisch liegen, nur um nicht in den Wettbewerb treten zu müssen,“ so Prof. Niessen-Rünzi.

Wenn Frauen vor ihrer Entscheidung allerdings ein Video von einer erfolgreichen Frau gesehen hatten, sah ihre Entscheidung anders aus und es entschieden sich weit mehr von ihnen für den Wettbewerb mit anderen. Prof. Alexandra Niessen-Rünzi: “Sahen sie Frauen, die von ihren Erfolgserlebnissen erzählten, stellten sich ganze 20 Prozent dem Wettbewerb. Erfolgreiche Frauen können andere Frauen ermutigen.“

Vorbilder sollten inspirieren und motivieren

Und genau deshalb lohnt sich der Blick auf die Frage, wer für Mädchen ein Vorbild ist oder es sein könnte. Vorbilder sollten inspirieren und motivieren und Listen helfen bekanntlich dabei, im Alltag den Überblick zu behalten. Legt man für YouTube-Stars wie Emma Chamberlain so eine Liste an, dann fällt die Einteilung in Quantität und Qualität nicht schwer: Die Amerikanerin trinkt gerne Eiskaffe und trägt am liebsten Markenklamotten. Millionen schauen ihr dabei zu.

Eines ist aber klar: Für mehr Selbstbewusstsein brauchen gerade Mädchen starke Vorbilder. Starke Vorbilder, die nachahmenswert und sichtbar sind. Denn die hochqualifizierten Absolventinnen, Berufsanfängerinnen und Chefinnen von morgen sind längst da. In Berlin bekommen sie am Freitag Halbjahres-Zeugnisse.

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