Der Konkurrenzkampf unter Frauen kann unerbittlich sein. Mit weiblicher Solidarität hat das wenig zu tun.
Es ist angenehm, sich besser als andere zu fühlen. Das ist evolutionsbedingt, sagen Forscher. Denn früher war es anscheinend besonders wichtig, sich in einer sozialen Gruppe als möglichst positiv darzustellen. Und das gelingt nun einmal einfacher, wenn man andere kritisiert.
Was nicht alle wissen: Gerade Mütter sind besonders gut darin, Urteile über andere Mütter zu fällen. Wenn sie Vollzeit arbeiten: “Was für ein Karrieremonster!“ Wenn sie Teilzeit arbeiten: “Tja, das war’s dann ja wohl. Ihre Karriere kann sie abschreiben!“ Wenn sie gar nicht arbeiten: “Was für eine Langweilerin!“ Manchmal frage ich mich deshalb, ob so etwas wie Loyalität unter Müttern eigentlich überhaupt existiert?
Sicherlich – unsere Freundinnen und unsere Familien sind in der Regel immer da für uns. Komme, was wolle. Aber was passiert eigentlich mit den ganzen anderen Müttern, die jeden Tag um uns herumschwirren – bei der Arbeit, auf dem Spielplatz, im Kindergarten oder an der Supermarktkasse? Manche geben uns gerne gute Ratschläge. Besonders einschüchternd sind diese Ratschläge, wenn sie von einem neuen Typus Mutter kommen, der sich in den letzten Jahren gerade in den Großstädten auf Spielplätzen, in Kindergärten und Grundschulen ausgebreitet hat.
Die Super-Mütter
Gemeint sind damit die berühmt-berüchtigten “Super-Mütter“: Ein neuer Typus erfolgreicher, hingebungsvoller Mütter, der scheinbar problemlos auf der Waage zwischen Beruf und Familie balanciert. Super-Mütter glauben, progressiv zu sein und feministische Diskurse verstanden zu haben – schließlich sind sie ja ganz offensichtlich nicht zwischen Kochtopf und Waschmaschine stecken geblieben. Sie haben es “geschafft“. Ihre Solidarität mit anderen Müttern ist jedoch keineswegs sicher. Denn für viele von ihnen ist das ganze Gerede von “female solidarity“, von Feministinnen immer wieder beschworen und eingefordert, im Grunde reines Geschwätz und existiert nicht. In ihrer Welt gilt: Jeder ist sich selbst die Nächste.
Besonders interessant ist deshalb auch, dass gerade Super-Mütter Frauen-Netzwerke lieben. Im Beruf verstehen wir unter Netzwerken ja eigentlich Folgendes: Wir stellen uns vor, zücken unsere Visitenkarten und hoffen auf den nächsten wichtigen Kontakt, Auftrag oder tollen Job. Super-Mütter “netzwerken“, wenn sie dir einmal in der Woche zwischen zwei Sitzungen mal fix eine mail schreiben, die so oder ähnlich klingen könnte: “Liebe XY, Mein Kind möchte euch heute nach der Schule besuchen. Die Oma kommt dann gegen 19 Uhr zum Abholen.“ Immer ganz nach dem Motto: Mütter müssen doch schließlich zusammenhalten.
“Ich habe es geschafft“
Ein Nebeneffekt solcher mails ist kurioserweise, dass ihre Autorinnen zu einer anderen Gelegenheit gern vollmündig verkünden, dass sich Frauen gegenseitig unterstützen müssen, ihren Einfluss vergrößern und eine starke Gesellschaft bilden müssen. Was sie damit aber eigentlich meinen, ist im Grunde etwas anderes: “Ich habe es geschafft und brauche deshalb deine uneingeschränkte Unterstützung. Hilfe von mir kannst du aber leider nicht erwarten.“
Manche mögen sich nun fragen, ob es vielleicht so etwas wie eine Bedienungsanleitung für Super-Mütter gibt? Leider nein. Viele Frauen klagen heute über das langsame Vorankommen der Gleichberechtigung. Gleichzeitig sind es aber gerade wir Frauen selbst, die sich gegenseitig ausnutzen, niedermachen, zerfleischen und das Leben unmöglich machen. Wenn Frauen Angst haben, ihren Status in einer Gruppe einzubüßen, schmieden sie rasch Allianzen, um dann andere auszuschließen.
Vielleicht sollten wir also alle mal wieder etwas trinken gehen und uns mit den Super-Müttern aussöhnen (denn sie schrappen hinter der perfekten Kulisse wahrscheinlich weitaus schärfer am Burnout entlang, als wir das tatsächlich wissen). Und als nächsten Schritt, mit offenen Augen in die Welt hinausgehen und andere Frauen unterstützen. Wenn immer das geht.