La Familia

Die Geschwister-Falle

Die Beziehung zu unseren Geschwistern beschäftigt uns ein Leben lang. Leider nicht immer im positiven Sinn. Was können wir dazu beitragen, dass unsere Kinder beste Freunde werden?

Ich muss zugeben, dass ich mich manchmal dabei erwische von der “LÄTTA“-Familie zu träumen. Der Traum funktioniert genau wie der Werbespot im Fernsehen: Es ist Sommer, der Himmel ist strahlend blau, die Vögel zwitschern und die Kamera schwenkt auf eine bunte Sommerwiese. Dort sitzen meine Eltern und meine Geschwister mit ihren Partnern und Kindern, alle vereint um einen langen Holztisch mit einer faltenfrei gebügelten weißen Tischdecke (ich habe eine Schwäche für weiße Tischdecken, obwohl ich keine einzige besitze). Die Atmosphäre ist gelöst. Wir trinken französischen Landwein, essen Baguette mit Camembert, erzählen uns amüsante Geschichten und genießen das Leben. Rund herum hüpfen fröhlich unsere Kinder in Leinenkleidchen und Chino Shorts und auch sonst verstehen sich alle blendend. Mit diesem Traumbild einer idealen Familie bin ich wahrscheinlich nicht alleine. Doch die Realität zeigt uns etwas ganz anderes: Perfekte Familien gibt es nicht.

Die längste Beziehung unseres Lebens

Und mal ganz abgesehen von der Beziehung zu unseren Eltern, die uns ein Leben lang beschäftigt und in aller Regel herzlich wenig mit einem Werbespot zu tun hat, sind da ja auch noch unsere Geschwister. Wir haben uns unsere Geschwister nicht ausgesucht, nichtsdestotrotz sind wir ein Leben lang eng miteinander verwoben: Schließlich ist die Beziehung zu unseren Geschwistern die längste Beziehung unseres Lebens. Denn eins ist klar: Da ist irgendetwas, das uns auf immer verbindet oder auch trennt.

Wenig überraschend also, dass Experten inzwischen herausgefunden haben, dass Geschwister einen ebenso starken Einfluß auf unsere Psyche haben wie unsere Eltern. Verteilen sie unsichtbare Schläge, dann gehen wir auch mal in die Knie. Oder liegen nach einem K.o. bewusstlos am Boden. Aber im Idealfall werden unsere Geschwisterbeziehungen, genauso wie wir, irgendwann erwachsen. Das heißt wir sind nicht mehr der nervige kleine Bruder oder die neunmalkluge große Schwester, sondern fühlen uns gleichwertig.

Geschwister können Freunde werden

Die gute Nachricht: Jetzt können wir Freunde werden. Und genau das wünschen sich Eltern natürlich auch für ihre Kinder. Die Vorstellung, dass sich unsere Töchter und Söhne ein Leben lang gegenseitig unterstützen und füreinander da sind, ist beruhigend. Ja, wir sehnen uns regelrecht danach, dass unsere Kleinen zusammenhalten, wie Freunde gemeinsam durch “dick und dünn gehen“, sich als Fels in der Brandung des anderen erweisen. Aber können wir als Eltern die zukünftigen Beziehungen unserer Kinder wirklich beeinflussen oder liegt das nicht schlichtweg außerhalb unserer Möglichkeiten?

Sicherlich – Pädagoginnen wie Karina Schewe weisen Eltern eine Schlüsselposition zu, wenn es um das Reifen von Geschwisterbeziehungen geht: “Eine Geschwisterbeziehung ist nicht von Anfang an da, sondern sie muss wachsen und gefördert werden. Diese Aufgabe kommt den Eltern zu. Sie leben Beziehung vor, sind Vorbilder, vermitteln ein grundlegendes Verständnis von Beziehung.“ Doch seien wir doch mal ganz ehrlich: Mein Idealbild der LÄTTA-Familie ist und bleibt aber unerreichbar. Denn Eltern (mich eingeschlossen) behandeln ihre Kinder niemals ganz gleich. Das ist ein Fakt. Die daraus entstehenden Rivalitäten beschäftigen uns, wie wir an unseren eigenen Geschwisterbeziehungen sehen können, manchmal ein Leben lang.

Alles richtig machen – werden wir also garantiert nicht. Vielleicht schwinden mit dieser Gewissheit ja auch unsere Ängste.


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