La Familia

Offener Brief: Liebe Lehrer, ihr macht den Unterschied!

Aber was muss denn noch geschehen, damit keiner mehr diesen Job wählt – nur weil es mit seinem ursprünglichen Berufswunsch nicht geklappt hat?

Liebe Lehrer,

ich habe großen Respekt vor euch. Um 32 Halbwüchsige ertragen zu können, braucht man gute Nerven. Ich würde sogar sagen – unglaublich gute Nerven. Die meisten Menschen wären nicht dazu in der Lage, euren Beruf auszuüben. Nicht einmal für eine Woche. Erst vor kurzem erzählte mir ein Bekannter von einem Lehrer, der in der 7. Klasse seiner Tochter unterrichtet. Oder besser gesagt: unterrichtet hat. Ganze zwei Tage hielt es der Quereinsteiger, ein ehemaliger Journalist, im Lehrerberuf aus. Danach verschwand er und wurde nie mehr gesehen.

Für diesen Impuls, als Lehrer einfach weglaufen zu wollen, habe ich volles Verständnis. Ich kann mich noch gut an meine eigene Schulzeit erinnern. Hatte ein Lehrer keine Autorität bei uns – und das waren in der Regel die armen unerfahrenen Referendare – dann haben wir gerne getestet, wie weit wir gehen können. Schüler können gemein sein. Heute bin ich als Mutter Zuschauerin der Lehrer-Schüler-Beziehung und sehe viele Dinge natürlich aus einer anderen Perspektive.

Aber eines weiß ich: Der Lehrerberuf ist wirklich wichtig und wirklich schwer. Das geht so weit, dass Bildungsforscher inzwischen eine simple Tatsache bewiesen haben. Nämlich, dass sich in der Schule im Grunde alles um die Lehrer dreht: Kleine Klassen bringen nichts, offener Unterricht auch nicht. Eltern verzweifeln regelmäßig an der Frage, ob es lieber Montessori-, Waldorf-Pädagogik oder doch eine internationale Schule sein soll?

Alles egal – worauf es wirklich ankommt: Der Lehrer, die Lehrerin. Bewiesen hat das der neuseeländische Bildungsforscher John Hattie. 2008 brachte er ein Buch heraus, das die pädagogische Welt seitdem auf den Kopf gestellt hat. Es zeigt, dass nicht innovative Lernprogramme sondern die Lehrer-Schüler-Beziehung für den Lernleistung unserer Kinder von zentraler Bedeutung ist. Zusammengefaßt heißt das: Was Schüler lernen, bestimmt der einzelne Lehrer. Also nicht freie Alternativ-Schulen, G8 oder G9 machen den Unterschied sondern gute Pädagogen. Das klingt banal, könnte man glauben. Das weiß doch jeder.

Stimmt aber nicht. Warum sonst treffen unsere Kinder gerade an den weiterführenden Schulen regelmäßig immer wieder auf Lehrer, die ganz offensichtlich den falschen Beruf gewählt haben? Oft haben diese Lehrer Autoritätsprobleme: Manche haben es schlichtweg verpaßt, sich in ihrem Studium einen Vorsprung in ihrem Fach zu verschaffen. Von jemandem, der eine Fremdsprache mit Grammatik- und Aussprachefehlern unterrichtet, läßt man sich als Schüler nun mal nicht gerne etwas sagen.

Aber auch in der Art der Lehrer-Schüler Beziehung kann der Wurm liegen. Wenn ich mich als Mathelehrer im Grunde nicht für den Lernerfolg meiner Schüler interessiere und auf die Frage: “Können sie das bitte noch einmal erklären?“ mit einem Abwinken reagiere und auf den Nebenmann/frau verweise – dann wird eine Klasse meine Autorität nicht anerkennen. Denn die Schüler merken sofort, dass sie eigentlich nicht ernst genommen werden. Manche dieser Lehrer beschaffen sich die nötige Autorität auf andere Weise: Sie stellen Schüler öffentlich bloß, machen sie lächerlich oder terrorisieren ganze Klassen durch ständige Lernkontrollen. Na ja, so sind sie halt die Lehrer könnte man jetzt natürlich sagen: Was nicht tötet, härtet ab. Alles Quatsch.

Unsere Kinder sind das Schönste und Wertvollste, was wir haben. Die Erwartungen an Lehrer und der Respekt gegenüber diesem Beruf können deshalb gar nicht groß genug sein. Das sollten wir alle niemals vergessen. Menschen, die eigentlich lieber Astrophysiker, Berufsmusiker oder Fremdenführer werden wollten, und nur aus Verlegenheit beim Lehramtsstudium landen, sind in diesem Beruf aber ganz eindeutig fehl am Platz. Sie können ein ganzes Berufsleben lang unter dieser Entscheidung leiden. Und was noch viel schlimmer ist: Ihren Frust an unsere Kinder weitergeben.

Deshalb, an alle Studienanfänger und Quereinsteiger: Überlegt euch gut, ob der Lehrerberuf wirklich das Richtige ist für euch. Wenn ja: Wunderbar – von Leuten wie euch hängt der Bildungserfolg unserer Kinder ab! Wenn nein: Es ist immer noch genug Zeit da, um nochmal vollkommen umzuschwenken. Auf Umweltingenieurwissenschaften, Informatik oder vielleicht sogar BWL.

Hochachtungsvoll,

Eine Mutter

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